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Die bisherigen Betonnormen sind
bislang stets so konzipiert, dass die darin enthaltenen Regelungen
grundsätzlich für alle Betonanwendungen maßgebend sind, unabhängig davon, ob
es sich um eine einfache Hochbaumaßnahme oder ein komplexes und hoch
beanspruchtes Ingenieurbauwerk handelt. Diese „Vereinheitlichung“ wird
bisher auch auf europäischer Ebene praktiziert, wenngleich die europäische
Betonnorm EN 206 nicht zuletzt aufgrund klimabedingten, regional sehr
unterschiedlichen Einwirkungen auf Betonbauteile, aber auch aufgrund
unterschiedlicher „Bautraditionen“ entsprechende Öffnungsklauseln enthält.
Letztere sind in der Vergangenheit in Deutschland großzügig genutzt worden,
um im nationalen Anwendungsdokument (DIN 1045-2) alle aus nationaler Sicht
für das Erreichen der notwendigen Betonbauqualität erforderlichen
Festlegungen einzubringen.
Die fortlaufenden Veränderungen in der Betontechnologie verbessern auf der
einen Seite die Verarbeitbarkeit und erweitern die Einsatzbereiche von
Beton. Andererseits zeigt sich dadurch auch zunehmend, dass die Betone für
bestimmte Anwendungen empfindlicher für „Störeinflüsse“ werden. Während sich
dies bei herkömmlichen Betonen und Anwendungen nahezu nicht auswirkt, d. h.
der Beton entsprechend robust ist, können bei anderen Einsatzgebieten
bereits geringe Schwankungen in den Ausgangsstoffen oder der Zusammensetzung
zu erheblichen Beeinträchtigungen führen.
Daher ist das bisherige Normenkonzept mit einheitlichen Regelungen für alle
Betone zu hinterfragen. Würden alle für anspruchsvolle Betonanwendungen
notwendigen Regelungen auf das gesamte Betonvolumen angewendet, wäre dies
ökonomisch schwer zu vermitteln, zumal für rd. 70 % bis 80 % der gesamten
Betonproduktion einfache Regeln ausreichen. Umgekehrt sind für besondere
Anwendungen weiterreichende Anforderungen zwingend notwendig, will man
häufige Probleme auf der Baustelle bzw. im Bauwerk vermeiden.
Bei der Erarbeitung der neuen DIN 1045-2 als nationale Ergänzung zur EN 206
(2014) kamen diese Diskrepanzen klar zum Vorschein, sodass Ende 2014 keine
abschließende Einigung zum vorliegenden Entwurf der DIN 1045-2 erzielt
werden konnte. Hinzu kommt noch, dass – bedingt durch das jüngst getroffene
EuGH-Urteil – der bisher großzügig praktizierte Umgang mit Öffnungsklauseln
in europäischen Regelwerken auch massiv eingeschränkt wurde. So kam man bei
diesen Diskussionen zur Auffassung, dass das bisherige Konzept der
Betonnormung ganzheitlich auf den Prüfstand zu stellen sei.
Ziel eines neuen Konzepts muss es sein, auf der Grundlage der bestehenden
und einheitlich beizubehaltenden Anforderungen an die Bauwerkssicherheit je
nach Bauwerk und Anwendung Maßnahmen zum Erreichen einer definierten
Qualität festzulegen. Die Klassifizierung von Qualitätsanforderungen muss
dabei alle Bereiche des Betonbaus (Planung, Baustoff, Ausführung) abdecken.
Für einige Anwendungen existieren bereits solche übergreifenden Regelungen,
die die Interaktion zwischen allen Bereichen definieren (z. B.
DBV/VDZ-Merkblatt „Sichtbeton“; DAfStb-Richtlinie „Massenbeton“). Über
verschiedene Stufen so definierter „BetonBauQualitäten“ (BBQ) sollen dann
anwendungsspezifisch gestufte Regelungen, die aufeinander aufbauen,
festgelegt werden. Solche gestuften Klassensystematiken gibt es zum Teil
schon in erweiterter Form (z. B. EN 1990), allerdings fehlt eine sinnvolle
Verknüpfung untereinander.
Diese Verknüpfungen herzustellen ist Hauptaufgabe der Betonnormung in den
nächsten Jahren.
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Prof.
Dr.-Ing. Rolf Breitenbücher studierte bis 1982 Bauingenieurwesen an der
TU München. Nach kurzer Zeit in einem Technischen Büro war er von 1983 bis
1992 als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Akademischer Rat bzw. Oberrat am
Lehrstuhl für Baustoffkunde und Werkstoffprüfung der TU München tätig, wo er
1989 promoviert wurde. Zwischen 1992 und 2002 leitete er das Zentrale
Baustofflabor der Philipp Holzmann AG und war gleichzeitig Geschäftsführer
der Philipp Holzmann Bautechnik GmbH. Seit 2003 ist er Inhaber des
Lehrstuhls für Baustofftechnik an der Ruhr-Universität Bochum.
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